"....alles still und ruhig"
Schulbestimmungen der königlich-bayerischen Regierung der Rheinspfalz, undatiert (zwischen 1816 und 1857)
Transkription des Textes:
"Schul-Gesetze.
1. Alle Schul-Kinder sollen genau zur bestimmten Zeit in der Schule erscheinen, und sich sogleich auf ihren angewiesenen Platz verfügen. Wer zu spät kommt, oder gar ausbleibt, soll sich bei dem Lehrer entschuldigen, warum er nicht früher, oder gar nicht gekommen sey.
2. Jedes Kind soll gewaschen und gekämmt, ordentlich und ehrbar gekleidet erscheinen, und alles, was es n der Schule nöthig hat, mitbringen. Dieses, namentlich Bücher und Schriften, sind rein und sauber zu halten, auch dürfen die Schul-Geräthe oder andere Theile des Hauses auf keine Weise beschmutzt oder beschädigt werden.
3. Die Schule wird allezeit mit einem kurzen herzlichen Gebete oder Gesange angefangen und geschlossen. Wer zu spät kommt, soll die Andacht nicht stören, sondern erst wenn sie vorüber ist, eintreten, und im Stillen sein Gebet verrichten.
4. In der Schule soll alles still und ruhig seyn. Wer schwätzt, schäkert oder andere stört, muß aus der Bank heraus, und an einen besonderen Platz stehen. Gleiches gilt auch in der Kirche, wo die Gemüther gesammmelt, und die Gedanken allein auf den Höchsten gerichtet seyn sollen.
5. Nie soll mehr als ein Kind hinaus gehen, und dieses soll schnell wieder kommen; daß aber auch solches so selten als möglich geschehe, sollen die Kinder vor Anfang der Schule sorgen.
6. Zum Essen ist während der Schule keine Zeit.
7. Ein Kind, welches aufgerufen wird, hat stehend seine Aufgabe zu machen, oder geräuschlos zur Tafel heraus zu kommen.
8. Wenn ein Schul-Oberer oder ein Jugend-Freund zum Besuche in die Schule kommt, und dieselbe wieder verläßt, sollen alle Kinder sich still erheben, und iede andere Art von lärmender Begrüßung hat überall zu unterbleiben. Aber auch außer der Schule sollen siegegen Jedermann, besonders gegen ihre ersten Wohlthäter, Eltern und Lehrer, höflich, freundlich und dienstfertig, und selbst unter sich gefällig und liebreich seyn.
9. Ein störrisches und zänkisches Wesen, Schimpf- und Scheltworte zeigen ein rohes -, boshafte Angebertei und Schadenfreude [ein] niederträchtiges Gemüth. Nie soll ein Kind sich solcher Aeßerungen schuldig machen. [...].
[...]
14. Auf dem Wege vor und nach der Schule haben sich die Kinder anständig und sittsam zu betragen, sich somit alles wilden Tobens, Schlagens und Raufens oder sonstigen Muthwillens zu enthalten.
15. Unter allem Muthwillen ist der gröbste, alte oder gebrachliche Leute zu necken, Thiere zu quälen u. s. w. Ein solcher Muthwille wird hart bestraft.
16. Die härteste Strafe würde denjenigen treffen, welcher Andere zum Bösen verleitet, oder durch eine sehr schändliche Handlung, durch Schamlosigkeit oder auffallende Bosheit die Jugend oder die Erwachsenen ärgert.
[...]"
Kommentar[2]
Die Bestimmungen verbinden Zeittypisches und Zeitloses. Zeittypisch ist der autoritäre Charakter, welcher sich in den Anweisungen zum Verhalten der Schülerinnen und Schüler gegenüber dem Lehrpersonal und den Eltern und in der religiösen Erziehung widerspiegelt. Zeitlos wiederum - bzw. von ungebrochener Aktualität - sind die Anweisungen, welche dem friedlichen und fairen Umgang der Schülerinnen und Schüler sowohl untereinander als auch gegenüber ihren sonstigen Mitmenschen dienen.
Unterlagen dieser Art sind in den staatlichen Archiven häufig zu finden, weil die Disziplinierung und Kontrolle des Schulalltags ein wichtiges Anliegen der damaligen Behörden war. Dementsprechend wurden immer wieder Erlasse dazu herausgegeben, so z. B. 1833 von der bayerischen Regierung des Rheinkreises in Speyer eine Anweisung "die Theilnahme der schulpflichtigen Jugend an den öffentlichen Tanzbelustigungen betreffend", worin die Eltern eindringlich aufgefordert wurden, ihre Kinder "von allen öffentlichen Lustbarkeiten dieser Art entfernt zu halten"[3] Die örtlichen Polizeibehörden erhielten Weisung, darauf zu achten und gegenteiliges Verhalten zu ahnden.
[1] Auslassungen in eckigen Klammern. Die Original-Zeichensetzung wurde beibehalten.
[2] Zur weiteren Vertiefung: Landesarchiv Speyer, Bestand H 35 (Akten des königlichen Bezirksamtes Homburg), Nr. 120: Schulen 1816-1880.
[3] Ebenda, Bl. 25.
Landesarchiv Speyer, Bestand Y 24, Nr. 4422