Kommunikation ohne Worte. Zeichensprache an der Börse und im Kloster
Am 13. Juli 2010 berichtete die Süddeutsche Zeitung über einen Börsenhändler aus Chicago, der die aussterbende Zeichensprache der Börsenhändler für die Nachwelt erhalten möchte. Er sammelt die Handzeichen auf einer Website (www.tradingpithistory.com). Um sich bei jedem Lärmpegel auf den Börsenparketts verständigen zu können, haben die Händler der Terminbörsen ein System von Handsignalen entwickelt. Da der Handel heute mehr und mehr elektronisch abgewickelt wird, wird bald niemand mehr wissen, wie man mittels Handzeichen ein Geschäft abschließt. Wer weiß denn heute noch, dass bereits die Zisterziensermönche im Mittelalter ein eigenes Zeichensystem nutzten, um sich ohne Worte verständigen zu können?
Der religiöse Orden der Zisterzienser ist nach dem Kloster Cîteaux (Burgund) benannt. Es wurde 1098 von Mönchen gegründet, die die Regel für das Zusammenleben im Kloster, die der hl. Benedikt im 6. Jahrhundert verfasst hatte, rigoroser befolgen wollten als damals üblich. Ihr Ideal zog so viele Männer an, dass sich der Orden von 1120 an geradezu explosionsartig über Europa ausbreitete. Daher feiert die Zisterzienserabtei Himmerod in der Eifel 2010 ein Jubiläumsjahr: seit 875 Jahren leben Mönche zwischen Großlittgen und Eisenschmitt (Landkreis Bernkastel-Wittlich) im Tal der Salm. An der Gründung des Klosters war der bedeutende Abt Bernhard von Clairvaux (1090 - 1153) beteiligt.
Die Zisterzienser legten größten Wert auf das Stillschweigen, heißt es doch im 6. Kapitel der Benediktsregel: \'Mag es sich also um noch so gute, heilige und aufbauende Gespräche handeln, vollkommenen Jüngern werde nur selten das Reden erlaubt wegen der Bedeutung der Schweigsamkeit. Steht doch geschrieben: "Beim vielen Reden wirst du der Sünde nicht entgehen".\' Um das Schweigegebot einhalten zu können, verständigten sich die Ordensleute mit Zeichen, die man mit den Fingern formte. Zum Erlernen dieser Kunst dienten alphabetische Listen von Begriffen, die anschließend in Zeichensprache beschrieben werden. Eine solche Liste ist im Klosterarchiv in einer eigenhändigen Handschrift des Himmeroder Gelehrten Johannes Siberch zu finden. Das Manuskript enthält außerdem Schriften zur Benediktsregel und zu einigen wichtigen Verfassungstexten des Ordens.
Literatur: Bruno Griesser, Ungedruckte Texte zur Zeichensprache in den Klöstern, in: Analecta Sacri Ordinis Cisterciensis 3, 1947, S. 111-128. - Mittelalterliche Handschriften im Landeshauptarchiv Koblenz, Bd. 2, bearb. v. E. Overgaauw (Veröffentlichungen des Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz 94) Koblenz 2002, S. 363-366.
Quelle: Ein Verzeichnis zur Zeichensprache der Zisterzienser, 1484