Ertrunkener Rückwanderer
Protokollnotiz des kurpfälzischen Amts- und Gerichtsschreibers Gerlin
Protokollnotiz des kurpfälzischen Amts- und Gerichtsschreibers Gerlin, erstellt in Gegenwart des Schultheißen Haass und des Georg Kuhn, beide Mitglieder des Gerichts.
Mörzheim, 1770, 21. Juli
I. Zusammenfassung
Johannes Schwartz war 1764 zu seinen Geschwistern nach Nordamerika (Pennsylvanien) gegangen. Als er 1767 in seine Heimat zurückkehren wollte, erlitt er Schiffbruch und ertrank. Wegen der von ihm hinterlassenen Erbschaft und darauf liegender Schulden erfolgte von Seiten des zuständigen kurpfälzischen Amts- und Gerichtsschreibers eine Hinterlassenschaftsaufnahme, zu der der folgende Protokolltext als Erläuterung gehört.
II. Volltext
"Nachdem Johannes Schwartz, weyl[and] Georg Schwartz dahier lediger Sohn in a[nn]o 1764 mit dem Vorgeben sich nacher Pensylvanien begeben, um seine daselbsten befindliche Schwester zu besuchen, daraufhin aber und zwar in a[nn]o 1767 durch einen aus erm[elte]m Pensylvanien anhero gekomenen Mandatarium mit Nahmen Jacob Hoffman nicht nur die Anzeige geschehen, sondern auch von demselben durch ein engeländisches Zeitungsplatt, (welches a latere benamster Ambtsschr[eiber] selbst bey Ambt gelesen), das erm[elter] Joh[anne]s Schwartz im Rückweeg nach Teutschland Schiffbruch erlitten und mit vielen anderen Persohnen zugrund gegangen seye. Inmittelst dann auch weiters angezeigt worden, dass derselb nebst seinem Vermögen dahier auch verschiedene Schulden hinterlasen hatt, dann, dass desen Güther sein Bruder, der Georg Schwartz, bis hiehier im Genus gehabt, damit gleich seinem Eigenthumb geschaltet habe; als wurdt diesem nach für nöthig befunden, des Verunglückten Joh[anne]s Schwartz Aktiv und Passiv Vermögen von Gerichts wegen zu conscribiren, damit demnechst entweder p[unc]to confiscationis [= Beschlagnahmung] oder bei deren Ermangelung p[unc]to successionis [=Erbfolge], dass in diesem Fall auch wegen dem Besthaubtrecht und Landsfundigebühr das weitere von höherem Orth besorgt werden könne.
Welche Verrichtung eben geschehen in Beyseyn des Georg Schwartz Burgers dahier als Bruders des Johannes Schwartz, wie auch Velten Schwartz als nahen Anverwandten, sodan Conrad Müller als Curatorio über des Joh[annes] Schwarzen Schwestern, die sich in Pensylvanien befinden."
III. Kommentar
Der Protokolltext zeigt sehr schön die Beziehungen, die trotz einer Auswanderung "hier: aus der Pfalz" nach der "Neuen Welt" noch zwischen den Familienmitgliedern existierten. Diese Beziehungen erscheinen hier zwar in erster Linie in erbrechtlicher Hinsicht - "die in Pennysvania lebenden Schwestern des Verunglückten haben ein Erbrecht an seinem Vermögen", doch stehen dahinter auch soziale Beziehungen.
Schließlich weist der Anlass des Protokolltextes "der Tod durch Ertrinken infolge Schiffbruches bei der Rückreise nach Europa" auf die beträchtlichen Gefahren solcher Migrationsvorgänge hin. Dass der Ertrunkene überhaupt den Rückweg eingeschlagen hatte, kann als Hinweis darauf verstanden werden, dass man mit einer Auswanderung nicht immer die erhofften Ziele erreichte.
Sodann gibt der Text schon aufgrund seiner Entstehungszeit im 18. Jahrhundert Aufschluss über noch mittelalterlich anmutende herrschaftliche Rechtsansprüche an das Vermögen von Verstorbenen: Besthaupt und eine Abgabe, die dem "Landesfundus" geschuldet ist, also dem Recht des Landesherrn an allem Grund und Boden, auf dem sich seine Untertanen befinden.
- F_11_Nr._1157__fol.1r_1.jpgLandesarchiv Speyer, Bestand F11, Nr. 1157, Anklicken zum Vergrößern893 KB
- F_11_Nr._1157__fol.1v_2.jpgLandesarchiv Speyer, Bestand F11, Nr. 1157, Anklicken zum Vergrößern962 KB